„Ich bin ein guter Mensch, ein guter Christ: Ich halte mich an die 10 Gebote.“ Ist man dann wirklich ein guter Christ - abgesehen davon, dass Menschen, die sich auf die 10 Gebote berufen, oft nur meinen: „Ich morde, stehle, lüge nicht...“ und die anderen Gebote, wie „Gott über alles lieben, den Tag des Herrn ehren, heiligen...“ nicht berücksichtigen und einfach ausblenden. Nicht töten, stehlen, lügen, gehören zum moralischen Bewusstsein aller Völker. Deswegen ist man also auch noch kein Christ.
Im heutigen Evangelium macht Jesus deutlich, dass es um mehr geht. „Eure Gerechtigkeit soll weit größer sein als die der Schriftgelehrten und Pharisäer“, sagt er. Diese sehr religiöse Menschen hielten sich ziemlich genau an die Gesetze und Vorschriften ihrer Religion Sie betrachteten sich selbst deswegen als „gerecht“. Und da kommt Jesus und verlangt, dass unsere „Gerechtigkeit“ noch viel größer sein soll als ihre.
Jesus wirft ihnen vor, dass sie sich nur an die Buchstaben des Gesetzes halten und nicht an den Sinn, an das, was diese Gebote eigentlich bezwecken. Ich kann mich rein äußerlich an Gebote und Gesetze halten: Ich halte meine „Sonntagspflicht“, ich spende für gute Werke ... Aber wie schaut es da in meinem Herzen aus? Vielleicht geht es nur um meine gut aussehende äußere Fassade, dass ich mir gut vorkomme?
Ich habe einmal irgendwo gelesen: „Gesetze und Gebote sind die minimale Forderung der Liebe.“ Mich an Gebote halten, ist das Wenigste, das ich tun kann um ein guter Mensch zu sein, denn wenn wir uns nicht einmal an die Gebote halten, ist ein Zusammenleben überhaupt schwierig, sogar unmöglich. Als Christ leben heißt aber mehr.
„Du sollst nicht töten.“ Ist ja irgendwie selbstverständlich. Aber ich kann das Leben eines Menschen auch zerstören, wenn ich ihn beschimpfe oder beleidige, ihn mobbe, ihn in seiner Würde herabsetze, so dass er sich selbst nur noch als minderwertig vorkommt. Solches Verhalten ist in den Augen von Jesus auch schon eine Art „Mord“, ohne ihn physisch umzubringen. Und bevor ich all das tue, haben sich schon viele Wut-, Hass-, Rachegefühle und Aggressionen innerlich, in meinem Herzen aufgestaut. Hier beginnt es schon mit dem Morden und ich soll nicht zulassen, dass es schon in meinem Herzen beginnt.
„Du sollst nicht die Ehe brechen.“ Man kann die eigene Ehe brechen und in die Ehe eines/einer anderen „einbrechen“. Auch diese Tat wird schon längst vorbereitet im Kopf und im Herzen. Jesus sagt: Ein Ehebruch beginnt schon mit einem besitzergreifenden Blick, in der erotischen und sexuellen Fantasie, bevor nach außen eine Tat erfolgt ist.
„Du sollst keinen Meineid schwören“, d.h. nicht falsch aussagen vor Gericht. Aber auch nicht in den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Du sollst überhaupt nicht das Bedürfnis haben, zu schwören, d.h. mit Kraftworten deine Glaubwürdigkeit zu bestätigen. Du sollst für andere ganz normal und selbstverständlich glaubwürdig sein, weil du immer zu deinem Wort stehst, weil dein „Ja“ immer ein „Ja“ und dein „Nein“ immer ein „Nein“ ist. Du sollst grundsätzlich verlässlich und ehrlich sein.
In den Augen Gottes bin ich also gerecht, lebe ich richtig, wenn nicht nur meine äußeren Worte und Taten, sondern zuallererst mein Herz mit den Geboten übereinstimmt. Meine innere Einstellung und meine äußeren Taten sollen übereinstimmen. Meine äußeren guten Taten sollen Ausdruck einer inneren guten Einstellung sein. Dann ist unsere Gerechtigkeit größer, denn es geht nicht um die Buchstaben der Gesetze, sondern um die Erfüllung ihres tieferen Sinnes.